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AJZ-Buch

Seit Dezember 2023 ist es endlich da, "Und das war erst der Anfang - 50 Jahre AJZ", das Buch zum Jubiläum! Ihr könnt es hier im AJZ bekommen, z.B. im Infoladen oder in der Donnerstagskneipe, oder bestellt es im AJZ-Verlag.

Einleitung

Umsonstladen im AJZ Bielefeld

Warum wir angesichts der Pandemie-Situation aktuell keine öffentlichen Veranstaltungen machen.

Wir haben auf unseren Hausversammlungen diskutiert, wie wir unter den gegebenen Umständen – Gefahr durch den Virus und staatlich verordnete Maßnahmen – Veranstaltungen im AJZ umsetzen könnten.

Einigkeit besteht darin, dass es sich um eine sehr gefährliche, ansteckende Krankheit und damit um eine besondere Situation handelt, die einen besonderen Umgang erfordert, was sich bspw. darin niederschlägt, dass wir uns unabhängig vom Impfstatus testen bevor wir uns mit Leuten im Haus treffen.

 

Zuletzt konnten wir auf der HV keine Einigung mehr erzielen, wie wir Veranstaltungen machen wollen, weshalb wir dazu kamen, lieber alles erstmal einzustellen.

Auch wenn wir zuletzt keine Lösung fanden, vollzieht sich glücklicherweise an diesem Punkt keine Spaltungslinie wie anderenorts (in der radikalen Linken).

 

Um unsere Entscheidung für unsere Gäste und Freund*innen transparent zu machen und um im besten Fall darüber hinaus eine Diskussion zu dem Thema in der Szene zu fördern, folgen die verschiedenen, im Haus vertretenen Positionen:

 

Ein Teil der Leute stellt sich gegen das Kontrollieren von Ausweisdokumenten, wie dem Impfausweis, aufgrund grundlegend ablehnender Haltung gegenüber Kontrollen. Hier wird eine Fortführung staatlicher Überwachungspraxis hinein in linke Räume gesehen, die unserer Autonomie entgegenwirkt.

Andere sehen zwar das AJZ als Raum für möglichst hierarchiefreies und inklusives Miteinander, in antiautoritären, selbstverwalteten Strukturen, wären aber angesichts der potenziell tödlichen Viruskrankheit bereit Kontrollen von Impfausweisen oder Testnachweisen (aber keinen Persos) zum Schutz aller Anwesenden einzuführen.

 

Dem Impfstatus messen einige eine größere Aussagekraft über die Ansteckungsgefahr bei als andere. Dazu kommt, dass eine Einlasspolitik nach Impfstatus besonders auch als Druckmittel auf Ungeimpfte gesehen wird, wenn diesen eben der Zugang zum gesellschaftlichen Leben verwehrt bleibt.

An dieser Stelle wird das Recht auf körperliche Selbstbestimmung hochgehalten, welches von niemandem direkt oder indirekt angefochten werden sollte. Dieses schließt ein, gewisse Entscheidungen über den individuellen Umgang mit Gesundheit zu treffen, die ggf. ein höheres Risiko mit sich bringen (bspw. Rauchen, Extrem-Sport, … ). Der gesellschaftlichen Entwicklung, dass dieses Recht immer mehr in Frage gestellt wird im Sinne einer kapitalistischen Biopolitik, soll Einhalt geboten werden.

Die Diskussion ging hier nicht so sehr in die tiefe, jedoch ist es Leuten wichtig zu betonen, dass die vermeintliche – so aktuell in den Medien propagierte – Schuld an der Verbreitung nicht individualisiert werden darf. Viel wichtiger wäre zu betonen, wie bewusst und politisch motiviert das Gesundheitssystem von den Herrschenden kaputt gespart / ruiniert wurde. Der unterschiedliche Umgang mit der eigenen Gesundheit darf nicht zum Ausmachen von Sündenböcken führen.

Zudem wäre noch zu betonen, dass der „Ungeimpft-Status“ nichts über den Umgang mit der Krankheit aussagt. Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, können ebenso verantwortungsvoll mit der Ansteckungsgefahr umgehen und sich bspw. testen etc.

 

Die einen halten 3G+ (oder zähneknirschend auch 2G+) für einen adäquaten Umgang, die anderen meinen, dass 2G einen Ausschluss produziert, der politisch nicht tragbar ist und würden sich dem entsprechend nicht an einer solchen Türpolitik beteiligen wollen. Denn Menschen ohne Papiere würde der Zugang ggf. erschwert und – wie oben benannt – all jene, die sich nicht impfen lassen wollen, würden ebenso ausgeschlossen.

Andersherum würden Personen ausgeschlossen, die ein höheres Maß an Sicherheit wünschen, würden wir in ihren Augen zu lasche Maßnahmen ergreifen bzw. keine Kontrollen durchführen.

 

Es besteht das Dilemma, dass wir eigentlich unseren Gästen vertrauen wollen, wenn wir sie an der Tür nach einem negativen Testergebnis fragen (ohne es uns vorzeigen zu lassen), manche jedoch grundlegend nicht allen vertrauen wollen/können und andere wiederum bereits schlechte Erfahrungen im nahen Umfeld gemacht haben, was die Ehrlichkeit bzgl. des Umgangs mit Infektion, Tests etc. angeht.

 

Der Vorschlag nach 1G zu handeln – sprich unabhängig vom Impf- oder Genesungsstatus – alle aufzufordern sich zu testen, scheint für uns logistisch nicht umsetzbar zu sein. Denn sofern nicht Alle allen Vertrauen schenken wollen, sind wir gezwungen die Tests vor Ort durchzuführen, bzw. den Raum zu stellen, wo sich unsere Gäste selbst testen können. Dies stellt bei bspw. einem Konzert, zu dem zu einer bestimmten Uhrzeit viele Menschen auf einmal kommen, ein organisatorisches Problem dar. Doch selbst wenn wir 1G logistisch stemmen könnten, würden es im aktuellen Pandemie-Geschehen nicht alle für sicher genug halten.

 

Noch zu benennen wäre, dass einige einen 3G+ oder 2G+ Modus für sinnvoll halten, um sich praktisch von Querdenker*innen, Esos etc. abzugrenzen und um nicht Beifall aus der falschen Ecke zu bekommen für das Nicht-Umsetzen von staatlich verordneten Corona-Schutzmaßnahmen. Auch hier liegt ein gewisser Dissens vor, denn andere wiederum meinen, dass nur weil die Verschwörungsmythen-Bewegung so stark ist, wir nicht Grundsätze über Bord werfen sollten.

Dies kontern erstere wiederum damit, dass sie den potenziell gesundheitlichen Schaden deutlich höher einstufen, als die potenziell negativen Folgen von Ausschlüssen.

 

Und so drehten wir uns im Kreis, bis wir festhielten, dass wir zu keiner Einigung kommen würden… Eine Entscheidung, die wir nicht leichtfertig trafen, da dies natürlich mit sich bringt, keine Einnahmen machen zu können, um unsere Betriebskosten zu decken. Mal ganz abgesehen von der sozialen Ebene. Dennoch trafen wir diese politische Entscheidung und werden weiterhin Auseinandersetzungen führen, um einen der Situation angemessenen Umgang zu finden.

 

Stand November/Dezember 2021 ist die Gefahr aufgrund der aktuellen Verbreitung aber ohne hin zu hoch, weshalb vorübergehend komplett von Veranstaltungen abgesehen wird.

Am 23.11.2020 fand das Revisionsverfahren wegen des Halim Dener Graffito am AJZ Bielefeld vor dem OLG Hamm statt und endete mit der Bestätigung des Freispruchs gegen einen Vorsitzenden des Vereins AJZ.

Kurz zur Erinnerung: Vor drei Jahren wurden wir von der Polizei dazu aufgefordert, ein Wandbild zur Erinnerung an den Tod von Halim Dener, das sich auf dem Rollo des Infoladens am Gebäude des AJZ befindet, zu entfernen. Polizei und Staatsanwaltschaft waren der Meinung, dass auf dem Graffito ein verbotenes Symbol (der kurdischen Organisation CDK) abgebildet sei. Bei Nichtentfernung drohten sie mit Strafverfolgung.
Es kam für uns nicht in Frage das Bild zu entfernen, das seit 25 Jahren an den gewaltsamen Tod eines Menschen erinnert, der beim Plakatieren von einem Polizisten erschossen wurde. Und so wurde gegen einen Vorsitzenden des AJZ-Vereins ein Strafbefehl in Höhe von 30 Tagessätzen à 20 € erlassen. Auf unseren Einspruch folgte der Prozess vor dem Amtsgericht Bielefeld. Dabei wurde der Vorsitzende wegen Unterlassens des Entfernens des verbotenen Symbols verurteilt. Auch hiergegen setzten wir uns juristisch zur Wehr und es kam zu einem weiteren Prozess vor dem Landgericht Bielefeld, bei dem es zu einem Freispruch kam. Da die Staatsanwaltschaft dies nicht hinnehmen wollte, folgte nun das Revisionsverfahren vor dem Oberlandgericht. Dabei wurde der Freispruch bestätigt und die Staatsanwaltschaft Bielefeld, sowie die Generalstaatsanwaltschaft, die der Revision beigetreten ist, vom OLG zurechtgewiesen (in unserer Erklärung vom 24.11.2020 fassten wir bereits das Urteil zusammen, darum möchten wir hier nicht weiter darauf eingehen).

Natürlich konnten wir uns ein Schmunzeln über das Urteil nicht verkneifen, denn wie oft lässt sich schon lesen, dass ein Gericht der Staatsanwaltschaft vorwirft, verfassungsrechtlich bedenklich gehandelt zu haben. Und natürlich war es auch eine Freude, dass unser Vorsitzender, der stellvertretend für uns alle angeklagt war, freigesprochen wurde. Dass damit die Auseinandersetzung um unser Graffito beendet ist, können wir vorerst nur hoffen. Die Reaktion einer Lokalzeitung nach dem Urteil, die indirekt dazu aufrief, gegen das Bild weiterhin vorzugehen, deutet leider in eine andere Richtung.
Auch die Bielefelder Staatsanwaltschaft und Polizei scheinen sich nach wie vor in die Sache verbissen zu haben. So laufen in Bielefeld, trotz des Freispruchs, weiterhin zwei Verfahren im Zusammenhang mit dem Halim Dener Graffito. Bei dem ersten Verfahren wurde ein Strafbefehl gegen den Anmelder einer Soli-Kundgebung zu dem Prozess vor dem Landgericht erlassen, wegen der Weigerung ein Transparent, auf dem das Graffito abgebildet war, abzunehmen. Bei dem zweiten Verfahren wurde bei einer Demonstration zum Gedenken an Halim Deners Tod das besagte Transparent mitgeführt. Deshalb und wegen anderer angeblich getragener Fahnen wird jetzt gegen den Anmelder der Demo ermittelt.

Diese Verbissenheit, die Polizei und Staatsanwaltschaft hier demonstrieren, zeigt sich schon seit etlichen Jahren bei allem was mit dem kurdischen Widerstand in Verbindung gebracht wird. Seit dem Verbot der PKK 1993 und anderer Organisationen, die in den Zusammenhang gestellt wurden, gab es etliche Verfahren wegen Mitgliedschaft und Unterstützung, wegen der Verwendung verbotener Symbole und wegen des Zeigens von Porträts von Abdullah Öcalan. Während die YPG und YPJ in Nordsyrien gegen die reaktionären Kräfte des IS kämpften und sich gegen die Invasion aus der Türkei verteidigten, wurden in Deutschland die Verbote von November 1993 ausgeweitet. Viele Verfahren wegen des Tragens von YPG- und YPJ-Fahnen sind seitdem geführt worden und würde es für die Betroffenen nicht Kriminalisierung und Strafe bedeuten, so wäre es schon komisch, mit welcher Akribie Polizist*innen seitdem mit Ausdrucken von verbotenen Symbolen am Rand von Demos stehen, um nicht eine Fahne durchgehen zu lassen, die sie der PKK oder einer anderen PKK nahen Organisation zuschreiben. Nicht ein Symbol, das in die Richtung verweist, soll unerkannt bleiben. Und es ist fast schon Satire, wann bestimmte Fahnen getragen werden dürfen und wann dann wieder das Mitführen verboten ist. So wurde Demonstrierenden von Polizist*innen in Bielefeld erklärt, dass sie die YPG Fahne tragen dürfen, aber nicht, wenn jemand daneben PKK rufen würde.
Letztendlich aber zeigt sich genau in diesem absurden Vorgehen der ganze Wille der Unterdrückung und Kriminalisierung des kurdischen Widerstandes. Der Widerstand soll nicht sichtbar sein und die Menschen, die sich mit ihm solidarisieren, sollen abgeschreckt und eingeschüchtert werden. Halim Dener war ein Opfer dieses Kriminalisierungswillens. Er wurde ermordet zu einer Zeit, als durch öffentliche Hetze ein Klima von Hass und Angst geschaffen wurde, welches von einer simplen Gleichung bestimmt war: Kurd*innen = PKK = Terrorist*innen

Halim Dener war aber nicht nur Opfer der Kriminalisierung und Stigmatisierung des kurdischen Widerstandes. Er wurde eben auch direkt ein Opfer von Polizeigewalt. Diese trifft in Deutschland immer wieder besonders Menschen, die vermeintlich als Nicht-Deutsche identifiziert werden und ist oftmals auch immanent rassistisch oder sogar rassistisch motiviert. Christy Schwundeck, Oury Jalloh, Achidi John und viele andere sind Opfer dieser Gewalt. Die Verfahren gegen die Beteiligten Polizist*innen werden oft eingestellt und der Umstand des Todes der Opfer bleibt meist „ungeklärt“.

Während die Stimmen derjenigen, die seit dem Mord an George Floyd gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt - auch in Deutschland - auf die Straße gehen, immer mehr werden, wird das Thema von Politiker*innen, allen voran dem „Heimatminister“ Seehofer, kleingeredet. Währenddessen ist die rassistische und menschenrechtswidrige Praxis des Racial Profiling (polizeiliche Maßnahmen, wie etwa Personenkontrollen, aufgrund des Fokus auf bestimmte äußere Merkmale, die Sprache, die tatsächliche oder vermeintliche Religionszugehörigkeit oder Herkunft der betroffenen Menschen) für viele Betroffene Alltag und diskriminierende Erfahrung. Dagegen streiten Politik und Polizei diese Praxis, wie auch Rassismus im Allgemeinen in den Behörden, einfach pauschal ab.
Auch in Bielefeld kam es in den letzten Monaten zu Vorfällen, bei denen institutioneller Rassismus anzunehmen ist. Dabei kam dem Kesselbrink, als Treffpunkt für Menschen aus unterschiedlichsten sozialen Zusammenhängen, eine besondere Rolle zu. Für Viele ist der Kesselbrink eine Möglichkeit, aus der Vereinzelung und Enge des eigenen Wohnraums herauszukommen, mit anderen zu kommunizieren und Freizeit zu verbringen, eben ein Treffpunkt quer durch alle Altersgruppen und unabhängig vom sozialen Stand. Gleichzeitig stilisierten die Medien, Polizei und Politik den Kesselbrink zum kriminellen Brennpunkt. Immer wieder kommt es dort zu Vorfällen mit der Polizei, wie im Sommer, als eine person of coulour von der Polizei kontrolliert wurde und andere sich mit ihm solidarisierten und es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam, bei dem ein*e Polizist*in auch eine Waffe zog.
Bei dem vor kurzem stattgefundenen Prozess gegen den kontrollierten jungen Mann konnten Beobachter*innen sich ein Bild über die Denkweise der beteiligten Polizist*innen machen. Während der Betroffene von Rassismus sprach und dass er nur den Grund für die Kontrolle erfahren wollte und sich als Opfer der polizeilichen Maßnahme sieht, schien es für die Beamt*innen selbstverständlich zu sein, auf dem Kesselbrink immer alle verdachtsunabhängig kontrollieren zu können. Aus ihrer Sicht stellt der Platz eine Art „Gefahrengebiet“ dar, weshalb alle Anwesenden pauschal verdächtig seien. Interessant dabei ist nur, dass weiße Menschen sehr selten auf dem Kesselbrink kontrolliert werden.
Der Betroffene wurde wegen Widerstand verurteilt und sich in diesem Fall auch nur im Ansatz mit Rassismus auseinanderzusetzen vom Gericht als unangebracht abgetan. Hier zeigte sich wieder die Unfähigkeit und Ignoranz von Gerichten sich dem Thema zu stellen. Stattdessen wird lieber die Polizei pauschal von Rassismus freigesprochen. Denn was es nicht geben soll wird einfach nicht benannt und so ist es auch nicht existent und mensch muss sich nicht damit auseinandersetzen.

Entsprechend der Vorstellung, dass der Kesselbrink ein Ort der Kriminalität wäre, ist auch das provokante Auftreten der Polizei auf dem Kesselbrink. Dies zeigt sich beständig in der Art und Weise, wie dort patrouilliert und kontrolliert wird. Es soll den dort Anwesenden demonstriert werden, dass sie im Visier der Polizei sind und besser verschwinden sollten. Denn die Kontrollen, das im Schritttempo neben jemanden herfahren und ähnliches, sollen diesen Ort für bestimmte Menschen unattraktiv machen. Und in den Fokus geraten dabei gerade immer wieder Menschen, die eben als „Nicht-Weiß“ angesehen werden. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass auf anderen gleichfalls belebten Plätzen in Bielefeld, bei denen das Publikum aber eine andere Zusammensetzung aufweist, die Polizeipräzens und deren Auftreten nicht annähernd so massiv ist. Dass dies alles nichts mit Rassismus zu tun haben soll, ist mehr als unglaubwürdig.

Erst wenn allgemein anerkannt wird, dass Rassismus in unserer Gesellschaft weit verbreitet und verankert ist, mal offen, mal verdeckt und die wenigsten Menschen sich davon einfach frei machen können, denn immer wieder können stereotype, zuschreibende Denkmuster auftauchen, wird es gelingen diese auch zu erkennen und zu verändern. Bei sich und bei anderen. Ohne die beständige Auseinandersetzung um das Wirken, die Herkunft und die Struktur von Rassismus kann sich der*die Einzelne* nicht davon freimachen, geschweige denn eine ganze Institution, die eben aus Teilen dieser Gesellschaft besteht.
Umso lächerlicher wirken dann auch die Bezeugungen der Politik, dass es bei der Polizei kein Problem mit Rassismus gäbe und eben auch kein Problem mit polizeilichen Übergriffen. Das dem so ist, ist nicht erst seit den im letzten Jahr bekannt gewordenen rassistischen Chats von Polizeibeamt*innen, mit Verbindung auch nach Bielefeld klar (siehe auch Studie, Uni Bochum https://kviapol.rub.de/index.php).

Halim Dener war ein Opfer dieser Gewaltverhältnisse. Er starb, weil er politisch aktiv und Kurde war. Daran erinnert unser Wandbild. Es erinnert an ihn als Menschen, aber auch daran, dass eben diese Form der Gewalt auch Teil unserer Gesellschaft ist. Und daran, dass es wichtig ist gegen diese Verhältnisse zu kämpfen.

Die Hausversammlung im Februar 2021

Pressemitteilung des AJZ Bielefeld zu der Bestätigung des Freispruches durch das OLG Hamm

Nachdem die Staatsanwaltschaft Bielefeld Revision gegen einen Freispruch des Landgerichts Bielefeld eingelegt hatte, bestätigte das OLG Hamm nun den Freispruch und stellte in erstaunlich deutlicher Art und Weise klar, dass eine strafrechtliche Verfolgung des Vereinsvorsitzenden auch nicht mit der von der Staatsanwaltschaft angenommenen (linken) Gesinnung des Vereins, des Vorstandes oder seiner Mitglieder begründet werden kann. An mehreren Stellen des Urteils äußert sich das OLG Hamm äußerst scharf zu den rechtlichen Ausführungen der Staatsanwaltschaft Bielefeld und der Generalstaatsanwaltschaft beim OLG Hamm und dem darin verfolgten Ansatz von Gesinnungsjustiz.

Was zuvor geschah: Am 30.06.1994 wurde der 16-jährige Kurde Halim Dener in Hannover beim Plakatieren von der Polizei in den Rücken geschossen. Der tödliche Schuss traf ihn, während er Plakate mit dem Symbol der ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans) aufhängte. Schockiert und wütend über diesen Mord malte ein junger Sprayer ein Gedenk-Graffito auf den Rollladen des Infoladen Anschlag im Gebäude des AJZ an der Heeper Str. 132 in Bielefeld. Das Foto von dem Graffito ist angehängt!

23 Jahre später, im Februar 2018, forderte die Polizei Bielefeld, aufgrund eines anonymen Hinweises, den Vereinsvorsitzenden des AJZ-Vereins auf, das Graffito zu beseitigen, weil es das Symbol einer verbotenen kurdischen Organisation zeigen würde. Die Hausversammlung des AJZ lehnte dies ab und veröffentlichte eine Erklärung dazu (siehe ajz-bielefeld.de).

Daraufhin wurde das nunmehr beendete Strafverfahren in Gang gesetzt. Vor dem Amtsgericht Bielefeld wurde der angeklagte Vereinsvorsitzende wegen des Verwendens (in Form des Nichtentfernens) eines Kennzeichens eines verbotenen Vereins am 23.09.2019 zu einer Geldstrafe verurteilt. Vom Landgericht Bielefeld wurde der Vorsitzende am 17.06.2020 wiederum freigesprochen, mit der Begründung, dass diesen keine strafbewehrte Garantenpflicht zur Beseitigung der Abbildung treffen würde. Das Nichtentfernen sei daher nicht strafbar. Der Freispruch wurde - auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch hin - jetzt nach einer mündlichen Verhandlung vor dem OLG Hamm am 23.11.2020 bestätigt.

Unzulässige Gesinnungsstrafbarkeit - Freispruch!
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte in ihrer Revisionsbegründung (der sich die Generalstaatsanwaltschaft angeschlossen hatte) darauf abgestellt, dass die politische Entscheidung des AJZ, „die Öffentlichkeitswirkung des verfahrensgegenständlichen Graffiti zur Demonstration der eigenen Kritik an den in der Türkei herrschenden politischen Verhältnissen zu instrumentalisieren," besonders zu berücksichtigen sei. Deshalb sei der AJZ-Verein, im Gegensatz zu anderen „normalen" Gebäudeeigentümern, die unstreitig nicht verantwortlich für die Entfernung eines Graffitos seien, von diesen zu unterscheiden. Die Generalstaatsanwaltschaft steigerte diese Argumentation noch und führte zu der Entscheidung des Landgerichts Bielefeld weiter Folgendes aus: „Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der von dem Angeklagten geleitete Verein zu keinem Zeitpunkt bereit war und nach wie vor nicht ist, das verfahrensgegenständliche Bild von seinem Haus zu entfernen. Es war ersichtlich in hohem Maße naheliegend, dass der Grund für diese Weigerung in der eigenen politischen Ausrichtung des Arbeiterjugendzentrums begründet ist." Die Generalstaatsanwaltschaft fand, dass das Landgericht bei seinem Freispruch den Aspekt der politischen Ausrichtung des AJZ verkannt habe.

Diese Ausführungen hält das OLG Hamm laut der Urteilsbegründung nicht nur für „rechtlich unzutreffend, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für verfassungswidrig". Und weiter: „Die hierzu gemachten Ausführungen der Staatsanwaltschaft sowie der Generalstaatsanwaltschaft lassen indes befürchten, dass hier in höchst bedenklicher Weise eine ‚Gesinnungsstrafbarkeit' erstrebt wird, die seit Geltung des Grundgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig ist."

Und auch wenn es für die Entscheidung des OLG Hamm darauf rechtlich gar nicht ankam, machte dieses trotzdem auch Ausführungen zu der grundlegenden Bewertung des Graffito. Denn das OLG Hamm führt aus, dass einiges dafür spricht, „dass die streitgegenständliche Abbildung unter die Sozialadäquanzklausel der §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG fällt."

Das bedeutet, dass hinsichtlich der Verwendung von sog. verbotenen Symbolen immer auch der Kontext, in dem dies geschieht, zu beachten ist und auch die Verwendung von eigentlich verbotenen Symbolen „sozialadäquat" sein kann. Das OLG Hamm ist der Ansicht, dass es sich in dem Fall unseres Bildes mindestens ähnlich verhält. Denn der Fokus des Graffito sei „ohne Zweifel zumindest in erster Linie darauf gerichtet" gewesen, auf die Tötung von Halim Dener hinzuweisen. In der mündlichen Urteilsbegründung des OLG Hamm wurde von dem Vorsitzenden Richter darüber hinaus angemerkt, dass seitens des Senats bezweifelt wird, dass ein ordnungsrechtliches Verfahren hinsichtlich der Beseitigung des Bildes Erfolg haben würde.

So weit zu der Zusammenfassung des Urteils des OLG Hamm.

Dass sich Polizei und Staatsanwaltschaft in Bielefeld in den Kriminalisierungsversuch verbissen haben, wurde auch daran deutlich, dass gegen den Anmelder einer Solidaritätskundgebung, die anlässlich des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Amtsgericht Bielefeld stattfand, ein Strafbefehl erlassen wurde, weil er sich geweigert hatte, ein Transparent zu entfernen, das ein Abbild des kriminalisierten Graffito zeigte. Ein Einspruch gegen den Strafbefehl wurde bereits eingelegt. Es bleibt zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft nicht vor hat, auch deswegen in mehrere Runden zu gehen.

Leider zeigt uns aber auch die Reaktion einer der Lokalzeitungen, dass unser Graffito und die Erinnerung an Halim Dener einigen - nachdem sie erst 2018 auf das nun seit 26 Jahren unübersehbare Bild aufmerksam wurden - weiterhin ein Dorn im Auge bleiben wird. So schreibt die Neue Westfälische, die anscheinend zu einer anderen juristischen Bewertung der Sozialadäquanz des Bildes kommt als das OLG Hamm, in ihrem Bericht vom 27.11.2020, dass das Symbol verboten sei und eigentlich entfernt werden müsste. Die anschließende Frage des Autors, „mit welchen Mitteln" dies durchsetzbar sei, wirkt wie ein Aufruf, weiterhin gegen das Bild vorzugehen. Welche Mittel ihm dafür recht sind, lässt sich nur erahnen.

Für uns bleibt es dabei: Hände weg von unserem Graffito!
Das Halim-Dener-Graffito an unserem Haus ist uns wichtig. Es erinnert nicht nur an den Mord im Jahr 1994 und hat daher auch historischen Wert und eine Bedeutung als Gedenkzeichen. Es erinnert auch an den Sprayer, der das Bild damals gemacht hat und der nicht mehr lebt. Darüber hinaus ist das Graffito mittlerweile auch Symbol für die Kriminalisierung von Seiten des deutschen Staates und die Versuche, jedes Zeichen des kurdischen Widerstandes aus der öffentlichen Wahrnehmung zu beseitigen. Und für die Gegenwehr dagegen!

Auch wenn wir denken, dass die Feststellung des OLG Hamm zu dem Punkt der „Gesinnungsstrafbarkeit" eher einem Ideal als der Realität entspricht - denn sicherlich gab es seit Geltung des Grundgesetzes einige Urteile, bei denen die „linke" Gesinnung maßgeblicher Teil der Bewertung waren (und in diesen Zusammenhang möchten wir nur an die Berufsverbote erinnern) -, freuen wir uns natürlich sehr über das Ergebnis und über die uns während der Auseinandersetzung entgegengebrachte Solidarität von so vielen Seiten.

Die Hausversammlung im Dezember 2020

05.02.2021 | Soli-Sampler

Liebe Freund*innen der (un)gepflegten Musikunterhaltung,

aufgrund der anhaltenden Situation fressen die nicht stattfindenden Kulturveranstaltungen so langsam auch ein Loch in die Kassen unseres geliebten AJZ Bielefeld. Deshalb haben die beiden Konzertgruppen des Ajos, Schublade Punk! und Krabbelgruppe, einen Soli-Sampler zusammengestellt.
Darauf findet ihr die musikalischen Ergüsse einiger Bands, die auf unserem Grand Slam im Mai 2019 aufgetreten sind. Der Grand Slam versammelte eine bunte Tüte der Bielefelder Band-Szene, die sich an zwei Tagen in 15-minütigen Sets die Klinke in die Hand gaben. Dabei kamen ganze 36 Bands aus den unterschiedlichsten Genres zusammen, die uns ein rauschendes und abwechslungsreiches Wochenende bescherten. Das war ein großer Spaß für sämtliche Beteiligten, den wir gerne wiederholen wollen. Damit uns das Ajo für diesen und viele weitere Zwecke erhalten bleibt, hoffen wir auf eure Unterstützung. Gebt so viel ihr wollt / könnt, ladet euch den Soli-Sampler unter

https://krabbelgruppe.bandcamp.com/

runter und teilt ihn mit euren
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